Sexreize

Anpassungsfähiger dank geschlechtlicher Fortpflanzung
Zur Fortpflanzung brauchen viele Lebewesen keinen Sex. Doch Balz und Paarung bringen handfeste Evolutionsvorteile. Diese über 100 Jahre alte Theorie haben Wissenschaftler jetzt erstmals bewiesen - am Beispiel von Hefepilzen. Die Welt wäre ziemlich öde ohne Sex. Es gäbe keine raffiniert aufgebauten Blüten, keine bunten Pfauenfedern, keine aufwendig inszenierten Balzrituale. Betrachtet man allein die Spezies Mensch, erscheint Sex geradezu wie eine geniale Erfindung von Marketingstrategen. Wer bräuchte noch teures Parfüm, exklusive Mode, schicke Cabrios oder Designer-Anzüge, wenn es bei allem, was Menschen tun, nicht auch immer ein bisschen ums Paaren ginge? Aber was sollen eigentlich das ganze Herumgebalze und das Blütenbrimborium, wo sich Lebewesen in der Natur doch auch ungeschlechtlich fortpflanzen können? Warum treibt die Natur einen solchen Aufwand?

Forscher des Imperial College in London haben die Frage nach dem Nutzen von Sex nun erstmals in einem Experiment mit Hefepilzen klären können. Ihre These: Mit sexueller Fortpflanzung erzeugte Nachkommen haben bessere Chancen, sich schnell und effektiv an stressige Lebensbedingungen anpassen zu können. Grund dafür ist die Neukombination des mütterlichen und väterlichen Erbguts und die daraus resultierende genetische Variabilität des Nachwuchses. Matthew Goddard und seine Kollegen vom Imperial College lieferten damit zum ersten Mal den Beweis für eine über 100 Jahre alte Theorie, nach der sexuelle Fortpflanzung einen evolutionären Vorteil bietet. Goddard und seine Kollegen nutzten Techniken des 21. Jahrhunderts, um die Theorie des deutschen Biologen August Weismann aus dem späten 19. Jahrhundert zu überprüfen. Als Versuchsobjekte dienten Hefepilze. Hefen können sich sowohl asexuell durch Knospung als auch sexuell durch Sporenbildung fortpflanzen. Die Forscher veränderten einen Teil der Hefen durch Zerstören zweier Gene so, dass diese sich nicht mehr sexuell vermehren und damit keine neuen Genkombinationen entstehen können. Diese asexuellen Hefen verglichen die Forscher mit unveränderten Artgenossen, indem sie beide Arten sowohl unter für sie angenehmen als auch unter stressigen Bedingungen wachsen ließen.

Liebespaar: Besser an stressiges Leben angepasst. Unter stressfreien Bedingungen zeigte sich kein Unterschied zwischen beiden Hefestämmen, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature“. Standen die Hefepilze jedoch unter Stress - in diesem Fall durch erhöhte Temperatur - waren die sexuell aktiven Hefen im Vorteil: Ihre Wachstumsrate stieg um 94 Prozent, die der asexuellen Hefen dagegen nur um 80 Prozent. Wichtig ist Sex also dann, erklären die Forscher, wenn es um das Überleben des Stärkeren unter einem selektiven Druck wie beispielsweise hoher Temperatur geht. Die Umgruppierung des elterlichen Erbmaterials beim Sex erhöht die Chance auf neue vorteilhafte Genkombinationen, die das Überleben der Nachkömmlinge unter stressigen Umweltbedingungen vereinfachen oder überhaupt erst ermöglichen könnten. Obwohl Sex gleichzeitig auch nützliche Genkombinationen auseinander reißen kann, scheinen die Vorteile dieser weit verbreiteten Vermehrungsweise zu überwiegen. Orchideenblüte: Verlockende Schönheit. Offen bleibt allerdings noch, betonen die Wissenschaftler, ob sich diese Ergebnisse auch auf höhere Lebewesen wie den Menschen übertragen lassen. Bei den beobachteten Hefen gibt es keine Unterscheidung zwischen männlich und weiblich - die geschlechtliche Fortpflanzung geschieht durch die Meiose, bei der aus einer normalen Zelle vier Keimzellen entstehen, die mit anderen Keimzellen verschmelzen. Damit fällt bei den kleinen Versuchsorganismen das Problem der - evolutionär betrachtet - kostspieligen Männer weg, die selbst keine Nachkommen produzieren, sondern nur ihre Gene zuliefern. Weiblicher Nachwuchs müsste deshalb eigentlich bevorzugt werden. Das Geheimnis des Sexes haben Evolutionsforscher also längst nicht vollständig gelüftet

Verwandte Artikel

Folgendes könnte Dich auch interessieren: