Cyber-Sex

Der Sex der Zukunft dient dem Vergnügen, nicht mehr der Fortpflanzung. Cyber-Sex, die High-Tech-Variante, erhitzt die Gemüter...
Via Datenleitung kann man sich gegenseitig mit Hilfe winziger Sensoren und Minivibratoren spüren. Sind realer Sex und Liebe damit passé? Ersetzt virtueller Sex den guten alten Geschlechtsverkehr? Eines ist sicher: Die moderne Technik wird den Sex verändern. Stärker als Cybersex dürften allerdings die Fortschritte bei der künstlichen Befruchtung die Sexualität in der Zukunft beeinflussen. Mit künstlerischen Arbeiten und wissenschaftlichem Diskurs entwirft die "Ars Electronica" in Linz eine Vision vom Sex in der Zukunft. Prominenter Gast des Festivals ist Carl Djerassi, der Erfinder der Antibaby-Pille. Der in Wien geborene Chemiker schrieb früher wissenschaftliche Artikel und Bücher. Jetzt verfasst er Romane und Theaterstücke über Wissenschaft. Eine seiner wichtigsten Thesen lautet: Sex und Befruchtung sind reif für die Scheidung. In seinem ersten Theaterstück "Unbefleckt" beschreibt Carl Djerassi, wie Sex im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit unsere Zukunft verändern wird.

Mit immer raffinierteren Tricks zwingen die modernen Babymacher den ersehnten Kindersegen herbei. Das ultimative Ende der Unfruchtbarkeit wäre das Klonen aus einer erwachsenen Körperzelle. Jeder könnte sich fortpflanzen, auch Männer ohne Hoden und Frauen ohne Eierstöcke - die Technik dazu ist bereits vorhanden. Seit mit Hilfe der Mikro-Injektion ein einziges Spermium zur Befruchtung genügt, können schon heute unfruchtbare Männer stolze Väter werden. Sogar unreife Vorstufen der Samen werden aus den Hoden operiert und ins Ei gespritzt. Gesund, stark und schön soll das ersehnte Wunschbaby sein, und die Ansprüche an den Nachwuchs werden steigen. Was bei uns noch verboten ist, wird in Großbritannien seit zehn Jahren praktiziert: Die Embryonen werden vor dem Einpflanzen auf schwere Erbkrankheiten überprüft. Von einem drei Tage alten Embryo wird eine Zelle abgesaugt und genetisch untersucht. So kann theoretisch auch das Geschlecht, die Haar- und Augenfarbe, Neigung zu Krankheiten wie Krebs oder Herzinfarkt, Begabung und Charakter bestimmt werden. Von dieser Methode werden in Zukunft nicht nur unfruchtbare Paare profitieren. Auch gesunde Männer und Frauen werden ein perfektes Designerbaby haben wollen. Sie werden in jungen Jahren Spermien und Eier einfrieren, in einer Bank deponieren und sich anschließend sterilisieren lassen. Wird ein Kind gewünscht, dann hebt man Samen und Eizellen von der Bank ab und lässt sich künstlich befruchten. Für Carl Djerassi ist das die perfekte Form der Familienplanung: ein Baby nach Maß und das ohne lästige Verhütung. Der Sex ist dann endgültig befreit, denn man konzentriert ihn nur noch auf Freude und Liebe, nicht mehr aber auf Reproduktion. Laut WHO-Statistik gibt es alle 24 Stunden mehr als 100 Millionen Geschlechtsakte, die zu etwa einer Million Schwangerschaften führen. Von denen ist jede zweite ungeplant und jede vierte unerwünscht. Der Mensch ist neben den Bonobos - einer Schimpansenart - das einzige Tier, das 365 Tage im Jahr zu Sex bereit und imstande ist. Und so wird es auch bleiben - auch im Zeitalter der künstlichen Befruchtung.