Die Akte Ex

Es ist Schluss. Vielleicht erst seit einem Monat, vielleicht aber auch schon seit Jahren. Sie leben möglicherweise schon längst wieder in einer neuen Beziehung. Und trotzdem: Es spukt! Ein Phantom aus vergangener Zeit geistert nach wie vor im Kopf herum. Ist das normal? Aus ist aus. So einfach ist das - und so hart.
Das bedeutet nicht nur, Gefühle ad acta zu legen, sondern auch, Erinnerungen unter dem Kapitel „Vergangenheit“ abzuspeichern und in die Zukunft zu starten - ohne den Partner. Egal, ob man selbst den Schlussstrich gezogen hat oder man verlassen wurde: Schluss machen tut weh. „Üblicherweise dauert es nach einer mehrjährigen, ernsthaften Beziehung zwei bis vier Jahre, bis eine Trennung wirklich verkraftet ist“, weiß Volker van den Boom, Paartherapeut in Aachen. Selbst wenn der Ex-Partner hartnäckig im Kopf herumgeistert - einige positive Seiten hat diese harte Zeit. Zwar sind Tiefs nie so tief wie jetzt, aber jedes Hoch fühlt sich dann umso besser an. Und wann, wenn nicht jetzt, ist genug Zeit, Bilanz zu ziehen, zu überlegen, was für die Zukunft wichtig ist und auf was man gut und gerne verzichten kann. Das gibt Aufschluss über sich selbst, eigene Bedürfnisse, aber auch Fehler und Macken. Doch gerade am Anfang geht es oft einen Schritt vor und zwei zurück. Irgendwann aber ist der Abstand - auch im Kopf - groß genug. Wir stärken Ihnen den Rücken auf dem Weg dahin.
Abschied auf Raten

Egal, ob sitzen gelassen oder selbst den Schlussstrich gezogen: Nicht immer sind wir so abgenabelt, wie wir es gerne hätten. Das können Sie tun: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung, so eine von Omas Weisheiten. Darauf setzt auch der Experte: „Trennung ist nichts anderes als Abschied - und beim Abschied steht der Schmerz nun mal immer im Vordergrund“, erklärt Volker van den Boom, Paartherapeut in Aachen. Unser Herzschmerz ist also nichts anderes als ein mieses Gefühl beim „Tschüss“-Sagen. Für Freunde des Schubladen- und Kategoriendenkens lässt er sich in vier Phasen unterteilen:

Phase 1:
Aus. Das kann einfach nicht sein. Man kann’s nicht fassen - und geht in der Not häufig zur Tagesordnung über, stürzt sich in Arbeit, mischt sich unters Volk - und ändert doch nichts. Gegenstände des anderen bleiben in der Wohnung, und manch einer gibt die Trennung nicht mal im Freundeskreis bekannt - denn die Hoffnung ist groß, den Partner noch mal umzustimmen.
Phase 2:
Jetzt kommt’s dicke. Zunächst verdrängte Gefühle brechen mit aller Gewalt hervor. Angst, Verzweiflung, Einsamkeit, aber auch Wut, Eifersucht oder sogar Hass machen sich breit. Schlafprobleme, Appetitlosigkeit oder Frustfress-Attacken sind jetzt nicht selten. Die Gedanken kreisen ständig um den Ex - und darum, ob es nicht viel- leicht doch noch eine Chance gibt.
Phase 3:
Weiter geht’s. Vielleicht ist das Leben allein doch gar nicht so unerträglich - jedenfalls fällt jetzt alles viel leichter als kurz nach der Trennung. Die Verzweiflung verfliegt, der Zorn verraucht: Es ist wieder Platz für neue Gedanken, und die haben nichts mehr mit der oder dem Ex zu tun. Denn eins ist jetzt klar: Eine gemeinsame Zukunft wird es nicht mehr geben.
Phase 4:
Die neue Mitte. Was jetzt folgt, kommt einem Selbstfindungstrip ziemlich nahe. Mit wachsendem Abstand wird klar, was in der Ex-Beziehung falsch lief. Das verhilft zu neuen Erkenntnissen, ohne gleich Selbstzweifel nach sich zu ziehen. Es geht bergauf - dabei helfen neue Pläne und Ziele. Schön wär’s, wenn sich an diesem Step-by-step-Programm der Status quo abfragen ließe. So einfach ist das aber nicht. „Leider laufen diese Phasen nie chronologisch, sondern immer auch parallel ab. Die eine wechselt mit der anderen, mal geht es voran, mal gibt es einen Rückfall“, meint Volker van den Boom. Ganz schwer haben es die Männer. Denn die leiden anders. „Frauen kommen in der Regel besser über eine Trennung hinweg, weil sie sich ihren Gefühlen eher hingeben“, bestätigt van den Boom aus seiner Praxis. „Männer dagegen schalten den Kontakt eher auf null und gehen ihrer Ex aus dem Weg. Das erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, dass sie alles leichter verkraften. In Wirklichkeit knabbern sie aber oft länger an der Trennung als ihre Ex-Partnerin.“
Das können Sie tun

Der eine trauert länger, der andere ist schneller über dem Berg - und so mancher hat das Gefühl, den Verlust nie zu verwinden. Wir sagen Ihnen, was Sie für sich tun können.

1. Zeit heilt alle Wunden:
Trennungen tun weh. Das ist normal - und diese Zeit sollten Sie sich auch geben. Wenn es Ihnen gut tut, gönnen Sie sich eine ordentliche Portion Selbstmitleid.
2. Spurensicherung:
Machen Sie klar Schiff. Trennen Sie sich von Dingen, die Sie an Ihren Partner erinnern. Sie müssen ja nicht gleich im Müll landen. Eine Kiste im Keller oder auf dem Dachboden tun es fürs erste auch.
3. Schnittstellen umgehen:
Gehen Sie sich aus dem Weg. Das gilt auch für ganz alltägliche Dinge. Jeder ist jetzt wieder für sich selbst verantwortlich.
4. Schmerzmittel:
Alkohol, Tabletten oder Essen als Trost bringen Sie nicht weiter. So hart es klingt: Da müssen Sie durch. Wenn Sie sich Ihrem Gefühl stellen, sind Sie schneller übern Berg.
5. … und Action!
Beschäftigen Sie sich! Besonders tückisch sind typische Paar-Tage wie Wochenenden oder Feiertage. Werden Sie aktiv - besuchen Sie Freunde, Verwandte, auch wenn Sie sich am liebsten verkriechen würden.
6. Lass es raus!
Die ganze Wut, den ganzen Zorn, die ganze Enttäuschung. Am besten so, dass Sie hinterher Ihrer Umwelt noch in die Augen blicken können. Schreiben Sie Briefe (die Sie tunlichst nicht abschicken), lassen Sie im Tagebuch Dampf ab, powern Sie sich beim Sport aus. Auch Hausputz soll helfen!
7. Merkzettel:
Irgendetwas ist schief gelaufen - und meist sind daran zwei beteiligt. Legen Sie sich einen Schlachtplan an mit guten Vorsätzen, was Sie nächste Mal besser machen, aber auch, worauf Sie bei Ihrem nächsten Partner besonderen Wert legen. Und gestehen Sie sich zu, dass jeder Fehler macht.
8. Egotrip:
Womöglich fühlen Sie sich als Niete. Gehen Sie in sich: Was mögen Sie an sich? Welche Eigenschaften zeichnen Sie besonders aus? Was ist Ihnen besonders gut geglückt?
9. Zukunftsmusik:
Alles aus und vorbei? Klar - aber doch nicht für immer. Sobald Sie die Trennung überwunden haben, lernen Sie vielleicht wieder einen neuen Partner kennen, mit dem Sie glücklich werden können.

Wenn unterm Strich nie Null steht

Hilfe, es hilft alles nichts! Ablenken, verrenken, umdenken, wegdenken: alles schon versucht. Nur: Wenn man sich eine Sekunde nicht aufs Nichtdenken konzentriert, steckt man schon wieder mitten drin im Gedankenkarussell. Ganz schön vertrackt. Natürlich, die Option, dass es sich bei Ihrem Ex-Partner um die große Liebe gehandelt hat, besteht. Woraus wieder die Frage erwächst: Warum ist sie dann gescheitert, diese große Liebe? „Wenn man selbst nach Jahren, auch in einer neuen Beziehung, immer noch dem Ex-Partner nachtrauert, kann das vielmehr daran liegen, dass Dinge, die weiter in der Vergangenheit liegen, verklärt werden“, so Paartherapeut Volker van den Boom. Denn wenn die Ex-Beziehung nicht der totale Fehlgriff war und Sie nicht ein absolut negativer Zeitgenosse sind, färben sich Erinnerungen gerne einen Tick zu rosa. Oder kommt Ihnen Folgendes nicht bekannt vor: „Klar, manchmal hätte er netter zu mir sein können, aber das war doch nur der Alltag, im Urlaub war’s doch genial.“ Oder wahlweise für Ihn: „Sie war manchmal ziemlich launisch, aber im Großen und Ganzen fand ich ihr Temperament toll.“ Trotz allem Verständnis für postpartnerschaftliche Schwärmereien: „Man sollte sich schon fragen: Warum denke ich gerade jetzt an meine/n Ex? Was hat das mit der jetzigen Situation oder der aktuellen Beziehung zu tun?“, rät Volker van den Boom. Vielleicht sind Sie ja eine eher unsichere Person? Die verkraften Trennungen nämlich besonders schlecht, weil sie das Scheitern einer Beziehung vor allem auf sich beziehen. Und manchmal tut’s dann wirklich ein abschließendes, klärendes Gespräch. Hier rät der Experte zum Zeitlimit. Es bringt mehr, sich eine Stunde Zeit zu nehmen, in der jeder auf den Punkt bringen kann, was er oder sie noch zu sagen hat, als die Gefühle die ganze Nacht hin und her zu wälzen. „Dabei ist es am wichtigsten, sich am Riemen zu reißen und Aggressionen nicht dem Partner gegenüber raus zu lassen - vor allem natürlich, wenn Kinder im Spiel sind“, empfiehlt van den Boom. Und selbst wenn der Draht zueinander noch gut ist: „Ich rate dazu, selbst dann nach dem Schlussstrich erst einmal ein halbes Jahr auf Distanz zu gehen, bis die Gefühle nicht mehr so frisch sind, und erst danach wieder aufeinander zuzugehen“, so der Tipp des Beziehungsexperten.

Die Faustregel lautet:
Ein halbes Jahr trauern ist in Ordnung. Danach sollte man wieder in der Lage sein, sich auch alleine gut zu fühlen und wieder Spaß am Leben zu haben. „Wenn nicht, spreche ich von depressiven Zügen. Das ist nicht das gleiche wie eine Depression. Letzten Endes sind depressive Züge nichts anderes als nicht ausgelebte Aggressionen, die viele allerdings eher gegen sich selber als gegen den Ex Partner richten“, erklärt der Psychologe. So kompliziert das „Sich-Entlieben“ für jeden individuell auch sein mag: Für Aggressionen hat der Paartherapeut einen wirklich simplen Trick parat: Sich den Partner vorzustellen und stellvertretend eine Matratze zu vermöbeln. Befreiungsschläge, sozusagen.

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