Steigbügelhilfe

Sessionstipps für Passive? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Auf den ersten Blick sicherlich, ist doch der oder die Top für die ganze schöne „Show“ verantwortlich, von der Sub sich gerne überraschen lassen möchte. Aber bei genauerer Betrachtung sieht die Sache etwas anders aus.
Eigentlich ist schon der Begriff "Passiver“ falsch, denn auch wer gerne empfängt, sich ausliefert oder submissiv verhält, zeigt dabei zumindest durch seine Reaktionen jede Menge Aktivität und unterscheidet sich damit gewaltig von einem Stück "Körperfleisch“, das seelenlos und wahrlich „passiv“ bearbeitet werden könnte. So verrückt es klingen mag, auch die Entscheidung „nichts“ zu tun, ist eine bewusste Entscheidung, die ein Ziel und eine Erwartung verfolgt und somit einen recht aktiven Hintergrund besitzt. Und selbst wenn man sich bewegungsunfähig, fast aller Sinne beraubt einem Gegenüber ausliefern möchte, so reagiert Mensch dennoch durch Körpersprache, Schwitzen, Stöhnen, Atmen. Auch der vermeintliche Wunsch völliger Hingabe wurzelt in einem sehr klaren eigenen Anspruch an Erfüllung, womit die angebliche Passivität und Selbstaufgabe von Bottoms, Submissiven und Devoten im SM-Märchenbuch sein mystisches Dasein fristen sollte. Wenn also auch Passivität eine aktive Sache ist, die eine Session mitbestimmt und ihren Anteil am Gelingen eines Spiels übernimmt, dann gibt es auch für diese Seite einige Kniffe die es vielleicht näher zu betrachten lohnt:

1) Wer fliegen will, sollte sicher stehen können...
Auch wenn es unromantisch und völlig widersprüchlich zum ersehnten „sich fallen lassen“ klingt, es dürfte wirklich der wichtigste Punkt sein: nur wer sich selbst, seine Wünsche und Grenzen, seinen Körper und Geist gesund einschätzen kann, wird auf Dauer Spaß an seiner passiven Rolle haben, seinem Top Freude machen und neue Dinge erkunden. Der Kick an Atemlosigkeit hält exakt so lange, wie Sie diese Atemlosigkeit auch verarbeiten können und glücklich aus ihren Spielen herausgehen. Wer sich aus Unsicherheit, übertriebener Phantasie oder auch „Angst als Weichei zu gelten“ kontinuierlich überfordert, steigt irgendwann aus und provoziert Abbrüche die vermieden werden können. Spielen Sie sich also bitte nicht in eine „ich-schaffe-das-schon“-Spirale, sondern bleiben Sie klar in ihrer Selbsteinschätzung.

2) Zeigen Sie Reaktionen, lassen Sie sich „lesen“
Hand aufs Herz - Sie träumen vom erotischen Höhenflug, vom Top der Sie Grenzen überwinden lässt und Sie souverän von einem Abenteuer ins nächste wirft. Diese Herausforderdung nimmt Ihr/e Aktive/r sicherlich auch gerne an, funktionieren kann dies aber nur durch ständige Reaktion von Ihrer Seite. Setzen Sie sich also bitte nicht in die erwartungsvolle Passivitätsecke und hoffen dort auf unglaubliche Geschehnisse, sondern bringen Sie sich ein, machen Sie Lust auf sich und ein gemeinsames Spiel. Während Sie im besten Fall lust- und leidvoll genießen, lebt Ihr Gegenüber vom Anblick Ihrer Reaktionen. Diese sind das Lust- und Spielfutter seiner „Rolle“ und nur wenn beide Seiten auf ihre Kosten kommen, wird der große SM-Abenteuertrip ein Erlebnis für alle Beteiligten.

3) Vor Eigenverantwortung schützt auch Submissivität nicht Oja, es gibt die Momente in denen man es einfach wissen will, oder den Versuch starten möchte „über sich hinauszuwachsen“. Manchmal sind es sogar „ungeile“ Sessions in denen man das Gefühl bekommt, dass der Knoten noch platzen kann, wenn man „es jetzt weiter durchzieht“. Spiele dieser Art können zu den intensivsten Erlebnissen zählen und sind durchaus einen Versuch wert. Machen Sie sich dann aber bitte bewusst, dass Sie sich in diesen Momenten auf einem ganz eigenen Trip befinden, den Ihr/e Aktive/r nur schwer zuordnen kann. Vielleicht bricht er trotz Ihrer Enttäuschung das Spiel ab, vielleicht bekommt er Ihren Kampf gar nicht mit oder erfreut sich sogar an Ihrem ungewöhnlichen Verhalten. Wie immer sich das Ergebnis für Sie anfühlt, sie können keine hellseherischen Leistungen erwarten. Vielleicht gelingt es Ihnen für solche Situationen ein Erkennungszeichen zu vereinbaren. Aber ebenso wie das tollste Safewort nur hilfreich ist, wenn es auch über Ihre Lippen kommt, sollten Sie Möglichkeiten finden, es auch einsetzen zu können. Bei aller Hingabe liegt eben doch stets eine Eigenverantwortung beim passiven Spieler, es ist seine Aufgabe zu artikulieren, wenn etwas schief läuft und gerade bei psychologischen Spielvarianten auf Ängste oder negative Erlebnisse aufmerksam zu machen. 4) Bauen Sie Brücken zu Ihren Phantasien Soll heißen: halten Sie mit Ihren Wünschen und Kopfteufeln nicht hinterm Berg. Was regelmäßig als unschönes „Topping from the bottom“ verschrien ist, bietet dem Aktiven auch jede Menge Möglichkeit zu Ihrem ganz persönlichen SM-Star zu werden. Schreiben Sie Geschichten, lassen Sie sich gegenseitig an Ihren obszönen Kopfszenen teilhaben, nur so können sie mit der Zeit auch Wirklichkeit werden. Es macht Spaß vom anderen „angeheizt“ zu werden, gemeinsam Szenarien zu entwickeln, die unter die Haut gehen und in Vorstellungen zu schwelgen. Erotik beginnt im Kopf und wandert erst von dort zwischen die Beine. Und dies gilt um ein Vielfaches für Top, der/die in vielen SM-Situationen fast ausschließlich über Kopfkino statt Körperlichkeit spielt und dem - auch in Ihrem Sinne - die Ideen ja nicht ausgehen sollen, oder? 5) Werden Sie nicht zum „Fass ohne Boden“ Ein seltsames Bild, nicht wahr? Aber es ist eigentlich ganz passend und wer sich als Passiver schon einmal in aktiver Rolle versucht hat, der dürfte wissen, was damit gemeint ist. Glücklicher SM ist ungemein berauschend und was wäre verlockender, als intensive Hochgefühle immer wieder aus dem Vollen schöpfen zu wollen? Aber Vorsicht! Das Bild der/des stets bereiten Sub mit hochgradiger Spielfreude ist sicherlich ein Toptraum, der in Realität aber seine Schattenseiten birgt. Bei aller Lust und Gier auf Exzesse kann der Dauerwunsch „bespiele mich!“ verdammt anstrengend und fade werden. Degradieren Sie Ihre/n Aktive/n nicht unter dem Deckmäntelchen der absoluten Hingabe zum einsamen Dienstleister. Bleiben Sie auch Mensch, Partner, Freund und mutieren Sie bitte nicht zum „Emotions- und Erlebnisvampir“, der nicht mehr satt zu bekommen ist. Klingt logisch? Na dann ist ja alles klar. Also eigentlich alles recht aktiv, was man als Passiver so auf dem Programm stehen hat und zugegebenermaßen gerät auch für erfahrenere Spieler manches davon leicht in Vergessenheit. Wie so oft schützt Wissen nicht unbedingt vor Torheit und den Löffel Weisheit hat wohl niemand gepachtet.

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